Berichtet wird über die vom Verfasser erstrittene Entscheidung des LG Hagen (46 Qs-463 Js 1720/19-55/20) zur Notwendigkeit einer Verlegung der Hauptverhandlung in Zeiten von Corona.
Die Fakten
In einer Bußgeldsache beim AG Schwelm war Hauptverhandlungstermin anberaumt für den 09.12.2020. Zwei Tage vorher beantragte die Verteidigung Terminsverlegung aufgrund einer Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) der Mandantin. Vorgelegt wurden:
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 10.12.2020,
- positiver Coronavirus-Test vom 26.11.2020 und
- Quarantäneanordnung der Stadt Köln bis 04.12.2020.
Die Rechtsauffassung des AG Schwelm
Mit Verfügung vom 09.12.2020 lehnte das AG Schwelm die Terminsverlegung ab mit der Begründung, die Quarantäneanordnung sei bereits fünf Tage vor der Hauptverhandlung abgelaufen. Eine Terminsverlegung komme nur im Falle einer schriftlichen oder mündlichen Verlängerung der Quarantäne in Betracht.
Die Entscheidung des LG Hagen
Hiergegen richtete sich die Beschwerde zum LG Hagen, das diese für zulässig und begründet hielt:
Nach Ansicht des LG Hagen war die Nichtverlegung des Hauptverhandlungstermins rechtswidrig, da das AG Schwelm das ihm obliegende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe:
„Die Kammer ist aufgrund der seitens der Verteidigung vorgebrachten Gesamtumstände davon überzeugt, dass das Ermessen der Amtsrichterin im Zeitpunkt der Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag auf null reduziert war.“
Und weiter:
„Die Verteidigung verweist mit Recht auf den Umstand, dass das Ende der Quarantäneanordnung nicht mit einer fehlenden Ansteckungsgefahr gleichgesetzt werden kann. Daraus folgt, dass im Falle einer Erkrankung mit dem SARS-CoV-2-Virus ein Erscheinen zu einem Hauptverhandlungstermin kurz nach Ablauf einer nur zehntägigen Quarantäne nicht verlangt werden kann. Die Erkrankung der Betroffenen führt schließlich dazu, dass dem Verteidiger gleichfalls eine Teilnahme am Termin nicht möglich war.“
Bedeutung für die Praxis
Im Ergebnis ist festzuhalten: Liegt eine Erkrankung mit dem SARS-CoV-2-Virus bei einem Prozessbeteiligten vor und ist eine Ansteckung trotz Ablauf der Quarantäneanordnung noch möglich, ist eine Terminsverlegung aufgrund einer Ermessensreduzierung auf null zwingend , um eine Verhandlung mit einer potentiell ansteckenden Person zu vermeiden.