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Das strafverteidiger.team hat das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Dezember 2020 (321 Ks 12/19) durch den Bundesgerichtshof (BGH) aufheben lassen (BGH, Beschluss vom 15. März 2022 – 2 StR 302/21):

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=130778&pos=4&anz=862&Blank=1.pdf

Die Sache muss in Köln vollständig neu verhandelt werden.

Gegenstand und Ablauf des Verfahrens

Das Landgericht Köln hatte den von Kölner Kollegen verteidigten Mandanten wegen „Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Mord in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen“ unter Einbeziehung früherer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.

Nach den Urteilsfeststellungen hatten mehrere Beteiligte am 25. November 2015 gegen 2.40 Uhr mit einer Schusswaffe die Bar „No Name“ in Köln-Nippes aufgesucht, um die später Geschädigten für einen Diebstahl zu bestrafen und sich das gestohlene Geld von ihnen wieder zurückzuholen. Der Angeklagte begleitete die Gruppe. Während der Angeklagte im Eingangsbereich der Bar verblieb und einen der Anwesenden davon abhielt, in das Geschehen einzugreifen, drangen die übrigen Beteiligten in die Bar ein, misshandelten und schossen auf die drei von ihnen Gesuchten. Einer der Angegriffenen verstarb an seiner Schussverletzung; die beiden anderen überlebten verletzt.

Inhalt der BGH-Entscheidung

Der BGH hat das Urteil zugunsten des Mandanten in vollem Umfang aufgehoben. Er hat die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte den Zeugen im Eingangsbereich auch nach der Abgabe der ersten Schüsse weiterhin bewacht habe, habe das Landgericht nicht ohne Weiteres schließen dürfen, dass er auch den Tod der Geschädigten im Gastraum billigend in Kauf genommen habe. Das Landgericht habe aus dem Blick verloren, dass der Angeklagte nicht zusammen mit den anderen in die Bar gestürmt, sondern im Eingangsbereich verblieben und erst im Laufe des Überfalls in den Gastraum hineingerufen worden sei. Das Landgericht habe daher erörtern müssen, welche Schussabgaben der Angeklagte optisch oder akustisch wahrgenommen habe und weshalb er auch ohne optische Wahrnehmung von tödlichen Schüssen ausgegangen sei. Aus der bloßen Geräuschentwicklung eines Schusses lasse sich dessen Zielrichtung nämlich regelmäßig nicht ableiten. Das Landgericht habe zudem nicht erörtert, welche Reaktion vom Angeklagten in der Kürze der Zeit zu erwarten gewesen wäre, wenn er mit den Tötungshandlungen der übrigen Beteiligten nicht einverstanden gewesen sei. Seine Möglichkeiten, sich vom Handeln der anderen zu distanzieren, seien auch angesichts der Dynamik des Geschehens derart beschränkt gewesen, dass aus der fehlenden Distanzierung nicht ohne Weiteres auf den Vorsatz des Angeklagten zurückgeschlossen werden könne, einen Beitrag zur Tötung der Geschädigten leisten zu wollen. Schließlich habe das Landgericht schon nicht festgestellt, aus welchen Beweggründen heraus der Angeklagten die übrigen Beteiligten zur Bar begleitet habe.

Da das angefochtene Urteil schon einer sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhielt, kam es auf die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr an. Gleichwohl hat der BGH auf die für den Mandanten erhobene Rüge, das Landgericht habe die Vernehmung eines aus dem Ausland per Videoübertragung in den Sitzungssaal zugeschalteten Auslandszeugen grob prozesswidrig durchgeführt, für das weitere Verfahren gefordert, das Landgericht müsse bei einer nochmaligen Videovernehmung des Zeugen im neuen Rechtsgang sicherstellen, dass „die Verfahrensgarantieren des deutschen Strafprozessrechts gewahrt bleiben“.

Bedeutung für die Verteidigungspraxis

Angesichts des weiten Beurteilungsspielraums, der dem Tatrichter bei der Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise von Gesetzes wegen eingeräumt ist, sind die Angriffsmöglichkeiten der Revision gegen die Urteilsfeststellungen zum Tatgeschehen zwar erheblich eingeschränkt. Die Entscheidung des BGH mahnt jedoch erneut dazu, die in den Urteilsgründen eingehend mitzuteilenden Erwägungen des Tatrichters zur Beweiswürdigung – gerade wie hier zu den subjektiven Wahrnehmungen eines Angeklagten und seiner inneren Einstellung zu den Handlungen anderer Tatbeteiligter – äußerst kritisch zu überprüfen und der revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen.

Als auf Revisionen von Strafurteilen spezialisierter Rechtsanwalt und Strafverteidiger berate ich Sie gerne zu Ihrem konkreten Fall. Rufen Sie an oder schicken Sie mir eine eMail: schiminowski@strafverteidiger.team