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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich erstmals zur Verwertbarkeit der durch französische Behörden überwachten EncroChat-Kommunikation in deutschen Strafverfahren geäußert. Sein in Leipzig ansässiger 6. Strafsenat sieht „die aus der Überwachung der Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst EncroChat durch französische Behörden gewonnenen Erkenntnisse (…) als im Strafverfahren verwertbar an“ (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 6 StR 639/21).

Inhalt der BGH-Entscheidung

Mit seinem im März veröffentlichten Beschluss verwarf der BGH die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Rostock vom 23. Juli 2021 (18 KLs 36/21 (1)). Anders als von der Revision beanstandet, sah er keine durchgreifende Rechtsverletzung darin begründet, dass die den deutschen Strafverfolgungsbehörden aus Frankreich übermittelten EncroChat-Daten und die aus ihnen erlangten Erkenntnisse für die Verurteilung des Angeklagten herangezogen und im Urteil verwertet wurden.

Der Strafsenat stützte die Verwerfung des Rechtsmittels zwar ausdrücklich darauf, dass der Angeklagte die Rüge, mit der er die Verwertung der erhobenen Beweise beanstandete, im Revisionsverfahren nicht in zulässiger Weise erhoben hatte. In einem Nebensatz und ohne weitere Begründung stellte er jedoch fest, dass die Rüge auch deshalb ohne Erfolg geblieben wäre, weil das Landgericht seinem Urteil die aus dem EncroChat-Verkehr gewonnenen Erkenntnisse zugrunde legen durfte.

Bedeutung für die Verteidigungspraxis

Die Entscheidung aus Leipzig ist aktuell nur ein Signal an die Instanzgerichte, wenn auch ein ernstes. Da die Verteidigung die Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben hatte, stellt der gleichwohl erfolgte Ausspruch über die Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der EncroChat-Überwachung noch eine – wenn auch feste – Rechtsmeinung des 6. Strafsenats dar. Sie kann auch nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt werden. Erst wenn ein Strafsenat die Verwertbarkeit tragend, also verbindlich, bestätigt hat, kann ein Angeklagter wegen dieser Frage das Bundesverfassungsgericht anrufen. Zudem wären die anderen fünf Strafsenate dann verpflichtet, bei einer gegenteiligen Ansicht eine rechtliche Klärung durch den Großen Strafsenat herbeizuführen.

Wichtig für die Verteidigung bleibt bis dahin: Der Verwertung der EncroChat-Kommunikation muss schon im Hauptverfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten widersprochen werden.

Anforderungen an die Revisionsbegründung

Kommt es allein oder auch auf ihrer Grundlage zur Verurteilung des Mandanten, muss in der Revisionsbegründung lückenlos alles vorgetragen werden, was der BGH an Information benötigt, um über die Verwertbarkeit der berücksichtigten Beweise entscheiden zu können. Ansonsten ist die Verfahrensrüge – wie hier – schon unzulässig; die Verwertbarkeit wird dann nicht geprüft. Der Revisionsvortrag setzt in der Regel auch die Darstellung all derjenigen Tatsachen voraus, die der BGH in die Abwägung einstellen muss, ob das Beweismittel in rechtswidriger Weise erlangt wurde und ob das rechtsfehlerhaft erlangte Beweismittel ebenso wie die Erkenntnisse aus ihm auch angesichts der Schwere des Tatvorwurfs oder der ihn anderweit stützenden Umstände bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt werden durften.

Solange die höchstrichterliche Klärung der Verwertbarkeit des überwachten EncroChat-Verkehrs weiterhin aussteht, werden Instanz- und Revisionsverteidiger streng darauf achten müssen, dass diese Voraussetzungen eingehalten werden, um die Rechte und Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten zu wahren.

Als auf Revisionen von Strafurteilen spezialisierter Rechtsanwalt und Strafverteidiger berate ich Sie gerne zu Ihrem konkreten Fall. Rufen Sie an oder schicken Sie mir eine eMail: schiminowski@strafverteidiger.team